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Herzrasen – per App zur Diagnose

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Herzrasen – per App zur Diagnose

Herzrhythmusstörungen betreffen viele Menschen – häufig auch Jüngere. Solche Beschwerden beim Kardiologen abzuklären ist durchaus sinnvoll, schildert der Internist und Kardiologe Stefan Pfaffenberger. Und er erzählt, warum EKG-Uhren nicht nur „hippe Apps” sind, sondern auch sehr genau und rasch eine klare Diagnose und damit eine Behandlungsmöglichkeit aufzeigen können!

Herzrhythmusstörungen kommen häufiger vor, als man vielleicht annehmen würde – und zwar nicht nur bei älteren Personen, schildert der Kardiologe Stefan Pfaffenberger seine Erfahrungen: 

Immer öfter kommen auch junge Menschen in die Praxis, um sich untersuchen zu lassen und das ist gut. Viele Betroffene erzählen nämlich nichts davon, wodurch fälschlicherweise der Eindruck entsteht, dass es sich um eine seltene Erkrankung handelt. Tatsächlich hat aber jeder Mensch schon sein Herz unrhythmisch oder stark oder viel zu schnell schlagend wahrgenommen. Eben auch bei jüngeren Menschen.

Das Problem bei der Diagnose von solchen Herzbeschwerden ist, dass es nicht  nur „die eine” Herzrhythmusstörung gibt, sondern viele verschiedene. Sie können von völlig harmlos und normal bis zu wirklich gefährlich variieren, schildert der Experte: „Der Grund sind verschiedene Mechanismen, die dann therapeutisch von keiner Behandlung bis hin zum Herzkatheter-Eingriff sehr unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Trotzdem, die harmlosen Ursachen sind deutlich häufiger.

Unterschiede: Welche Beschwerden können Patienten spüren?

Rhythmusstörungen können sehr kurz, also bloß 1 bis 2 Sekunden, dauern. Dann handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einfache Extraschläge (sog. Extrasystolen). Diese können als unrhythmischer Herzschlag, „kurzes Stehenbleiben des Herzens” oder auch als „starker Herzschlag, den man im Hals spürt” wahrgenommen werden. Sie können singulär oder auch in Gruppen über einen längeren Zeitraum auftreten. Andere Rhythmusstörungen können mehrere Minuten bis Stunden dauern. Wichtig für den Arzt ist dabei, wie es dem Patienten währenddessen geht. Liegt das Problem nur in der Wahrnehmung („Herzklopfen, Stolpern, Aussetzer, Stechen” etc.) und erzeugt es eventuell Angst oder Panik oder ist die Rhythmusstörung wirklich so massiv ausgeprägt, dass der Patient Kreislauf-Probleme mit Schwindel, Atemnot oder sogar einem Kreislauf-Kollaps bekommt. Kardiologe Stefan Pfaffenberger schildert weiter: „Je schneller die Herzfrequenz bei der Herzrhythmusstörung ist, umso eher entstehen Kreislaufprobleme. Wobei wir bei einem zentralen Problem der Herzrhythmusstörung sind: die Herzfrequenz (Puls) während der Herzrhythmusstörung.”

Der Puls als Zeitmesser

Dauert die Herzrhythmusstörung nur 2 Sekunden, dann ändert sich die Herzfrequenz nicht, wenn sie aber mehrere Sekunden oder Minuten andauert, dann ist es für den Kardiologen wichtig zu wissen, wie schnell denn die Rhythmusstörung war. „Erfahrungsgemäß ist das ein Punkt, den Patienten nicht beantworten können, da sie in diesem Moment sehr mit der subjektiven Wahrnehmung beschäftigt sind und meist Angst oder Panik aufkommt. Der Patient nimmt das Ereignis meist als dramatisch wahr und ist davon überzeugt, dass es wohl
„sehr schnell” gewesen sein muss”, erklärt Stefan Pfaffenberger. 

Tatsächlich kann das Herz in solchen Situationen mit Frequenzen von über 200/min schlagen (gefährlich), es kann aber auch sein, dass die tatsächliche Herzfrequenz nur bei 150/min liegt (schnell, aber nicht gefährlich) oder sogar nur bei 90/min (harmlos). 
„Daher ist es wichtig, dass der Patient trotz Angst versucht, die Herzfrequenz zu messen. Im einfachsten Fall schaut man 60 Sekunden auf seine Uhr (oder Uhr am Handy), legt den Finger auf die Halsschlagader und zählt die Pulsschläge mit. Bei sehr hohen Frequenzen kann das auch schwierig sein, aber man weiß dann zumindest, dass es tatsächlich sehr schnell ist”, so der Kardiologe. Alternativ kann man eine Pulsuhr verwenden, die den Puls automatisch anzeigt, oder man hat eventuell zuhause ein Blutdruckmessgerät zur Verfügung, das ja neben dem Blutdruck am Display als dritten Wert auch den Puls (= Herzfrequenz) anzeigt. Mit dieser Information kann man dann schon einmal sehr grob sagen, ob es sich um eine gefährliche (also sehr schnelle) Herzrhythmusstörung handelt oder nicht (langsame). Auch die Frage, ob die Herzrhythmusstörung plötzlich beginnt (also „wie wenn man einen Schalter einschaltet”) oder eher langsam beginnt und langsam wieder abebbt, kann bei der richtigen Zuordnung eine Rolle spielen.

Untersuchung beim Arzt und Alternative zum 24-Stunden-EKG

Sind Patienten bei Kardiologen oder Internisten, wird das Herz untersucht, und zwar mit einem Ruhe-EKG und einem Herz-Ultraschall (Echokardiographie). „Sind beide Untersuchungen unauffällig, kann man mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass der ganzen Problematik keine andere schwere Herzerkrankung zugrunde liegt und auch das nächste Herzrasen gut überstanden werden kann. Finden sich aber bei diesen beiden Untersuchungen Auffälligkeiten, dann stehen diese wahrscheinlich mit den
Herzrhythmusstörungen in Zusammenhang und müssen natürlich weiter abgeklärt werden”, erklärt Kardiologe Stefan Pfaffenberger. Über das Ruhe-EKG kann man aber die genaue Art der Rhythmusstörung leider nur sehr selten diagnostizieren, da diese zum Zeitpunkt der Aufnahme meist nicht besteht. Der nächste Schritt ist daher, dass man versucht die Rhythmusstörung aufzuzeichnen, während diese passiert. Das wird meist mit einem 24-Stunden-EKG-Gerät (sog. Holter-EKG) versucht. Solche Geräte sind etwa so groß und schwer wie ein Handy. Sie nehmen präzise und geräuschfrei jeden Herzschlag (und somit jede Rhythmusstörung) über 24 Stunden auf.
Problem gelöst!? Leider meistens nicht, schildert der Experte: „Die meisten Patienten haben ihre Rhythmusstörungen nun mal nicht täglich. Und selbst wenn man diese durchschnittlich an 6 von 7 Tagen pro Woche hat – was ich aus Erfahrung sagen kann – ist die Chance sehr groß, dass Patienten genau an dem Tag, an dem sie das Gerät tragen, die Rhythmusstörung nicht haben werden.” Für 24-Stunden-EKG-Geräte gibt der Kardiologe folgenden Tipp: „Entweder lassen sie sich am Gerät die „Markierungstaste” zeigen um genau den Moment der (subjektiv empfunden) Rhythmusstörung für den Arzt zu markieren („hier genau war mein Problem”) – somit lässt sich dann im EKG alles klar zuordnen – oder sie schreiben sich ein Mini-Protokoll und halten genau fest, um wieviel Uhr das Problem aufgetreten ist. Dann kann man nachher mit der Zeitachse der Aufnahme vergleichen und sehen, was zum Zeitpunkt X genau im EKG zu sehen war. Wenn aber eine Rhythmusstörung nun nicht am 24-Stunden-EKG aufgezeichnet werden konnte, weil sie zum Beispiel nur 1x/Monat auftritt (und solche Fälle sind leider die Mehrzahl), dann sollte man die Abklärung hier nicht beenden, sondern die Sache aktiv weiter vorantreiben.” Für Rhythmusstörungen, die länger als 20 Minuten anhalten, kann man (wenn es der Kreislauf erlaubt) erwägen, zum nächsten Arzt oder in die nächste Ambulanz zu gehen, um dort ein akutes „Anfalls-EKG” schreiben zu lassen. Ist es so schlimm, dass man sich nicht mehr hinaus traut, kann auch die Rettung gerufen werden. In allen Fällen gilt: lassen Sie sich eine Kopie des EKG-Streifens für den Kardiologen mitgeben oder fotografieren sie das EKG zumindest mit Ihrem Handy.”

Es geht aber auch einfacher: die EKG-Uhr

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Im Prinzip kann eine EKG-Uhr diese Geräte ersetzen. Alle, die ein Apple-Handy besitzen können hierfür eine Apple-Watch verwenden. Wer sich hingegen für ein Android-Model (Samsung etc.) entschieden hat, der kann sich eine Withings-EKG-Uhr besorgen. Diese liefert ebenfalls gute EKGs, die Uhr kostet im Vergleich zur Apple-Watch nur ein Viertel, also etwas mehr als 100 € (diese Uhr ist übrigens auch kompatibel mit iOS falls Ihnen die iWatch zu teuer ist). Auch Huawei bietet ein brauchbares System an. 

Wie das im Detail funktioniert, erklärt der Experte so: „Pulsuhren sind ja seit einigen Jahren nicht mehr nur für Marathonläufer  ein beliebtes Gadget, sondern werden von fast allen Hobbysportler gerne benutzt, um das Training und alle möglichen anderen Lebenssituationen ausgiebig zu vermessen. Der Puls hilft uns bei der Rhythmusstörung weiter. EKG gibt es aber auf solchen Pulsuhren nicht. Und das brauchen wir“. Die Apple-Watch hat daher nun zusätzlich zum optischen Pulssensor (das grüne Blinklicht auf der Rückseite der Uhr) zwei weitere elektrische Sensoren. Einer befindet sich ebenfalls an der Rückseite der Uhr, der andere befindet sich in der „Digital Crown”, also dem seitlichen Messing-Drehknopf der Apple-Watch. Legt man dort den Finger der anderen Hand auf, schließt sich nun der Stromkreis über das Herz und die Uhr leitet für 30 Sekunden ein EKG von erstaunlich guter Qualität ab. Die dafür nötige App ist auf der Uhr (Apple-Watch 4 und 5) bzw. am dazugehörigen iPhone (Modell 6 oder höher) fix vorinstalliert. Das EKG kann praktisch ohne zeitliche Verzögerung jederzeit und so oft wie gewünscht geschrieben werden. Die Technik der Withings-EKG-Uhr ist für den Benutzer sehr ähnlich.

Mit der App Ergebnisse direkt von der Uhr zum Arzt senden

Ist man mit der Aufnahme zufrieden, kann man die Daten sehr einfach in ein PDF umwandeln und wenn gewünscht sofort an den Arzt verschicken. Einzige Voraussetzung: man muss sich die Uhr (zusätzlich zu seinem Smartphone) leisten und man muss sie natürlich auch immer tragen. Somit ist man unabhängig von allen Aufzeichnungsgeräten und kann jederzeit selbst tätig werden, wenn es nötig ist, schildert der Kardiologe: „Diese Apps wurden eigentlich für eine spezielle Herzrhythmusstörung namens „Vorhofflimmern” entwickelt, die häufig vorkommt und zumeist ältere Menschen betrifft. Jene spezielle Rhythmusstörung kann mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Uhr selbst erkannt und diagnostiziert werden. Für andere Rhythmusstörungen gilt das nicht. Aber das ist egal. Wenn Sie das Problem aufgenommen haben, dann suchen Sie damit einfach Ihren Arzt auf. Dieser kann mit hoher Wahrscheinlichkeit die Rhythmusstörung benennen und die Behandlungsmöglichkeiten mit Ihnen besprechen.”

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verfasst von:

Priv. Doz. Dr. Stefan Pfaffenberger

Beschwerden rund ums Herz können zwar manchmal harmlos sein, bedürfen aber einer genauen Abklärung. In meiner Ordination biete ich meinen Patienten eine umfassende Betreuung bei unterschiedlichen Erkrankungen des Herzens. 

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Fotoquellen: Adobe Stock, https://stock.adobe.com; https://elements.envato.com

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