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Künstliche Intelligenz (KI) in der Medizin: Anwendungsbereiche und Funktionsweise
Die künstliche Intelligenz (KI oder AI) erschließt sich mit ihrem Potenzial immer größere Anwendungsbereiche. In der Medizin spielt die KI eine große und wachsende Rolle, wie Ärzte und Wissenschaftler bestätigen. Die Einsatzorte reichen von der Diagnostik über die Arzneimittelentwicklung bis zur Personalisierung medizinischer Behandlung. Erfahren Sie, inwiefern intelligente Technologien die Medizin in unterschiedlichen Fachbereichen unterstützen kann.
Diagnostik mit AI: Überblick und Ablauf
Speziell für die Diagnose bietet KI wertvolles Potenzial, zahlreiche Erkrankungen schneller zu identifizieren. Dank Machine Learning werden intelligente Systeme immer besser darin, Muster zu erkennen. Grundsätzlich werden KI-Systeme umso nützlicher, je mehr Informationen sie bekommen und je länger sie trainieren. Ein anschauliches Beispiel ist die bildgebende Diagnostik.
Bildgebende Verfahren wie MRT arbeiten mit Bildern, in denen bestimmte Muster wiederkehren. Wird ein lernfähiges System mit hinreichend vielen Darstellungen bestimmter Krankheitsbilder konfrontiert, kann es diese immer besser einordnen. So kann die künstliche Intelligenz beispielsweise anhand von MRT-oder Röntgenbildern zwischen gutartigen oder bösartigen Tumoren unterscheiden. Im Prozess des maschinellen Lernens bekommt das intelligente System zunächst die richtige Diagnosestellung zu den Übungs-Bildern mitgeliefert. Im Verlaufe der Zeit lernt die Technologie selbst, immer feiner die Unterschiede zu erkennen und einzuordnen.
Machine Learning in der Diagnostik
- Besondere Bedeutung kommt dem selbstständigen Lernen durch die intelligenten Systeme zu. Das Machine Learning basiert auf Algorithmen (speziell auf so genannten Deep-Learning-Algorithmen). Deren Fortschritt in der automatisierten Diagnose von Krankheiten war in den vergangenen Jahren enorm. Die Diagnose wird damit nicht nur schneller und zuverlässiger, sondern ebenso preiswerter.
- Eine revolutionäre Besonderheit an dieser Vorgehensweise besteht darin, dass die KI nicht auf Mitteilung der diagnostischen Differenzierungs-Kriterien angewiesen ist. Muster, Gemeinsamkeiten und Unterschiede finden intelligente Systeme selbsttätig. Die einzige Grundlage ist die für das System bereitgestellte Datenmenge. Dieses selbstständige Lernen hat den Vorteil, dass die KI gleichermaßen neue Differenzierungs-Merkmale finden kann. Bisher medizinisch unentdeckte Diagnose-Kriterien können somit sichtbar werden.
- Die Voraussetzung für einen funktionierenden Machine-Learning-Prozess ist das Vorliegen sauberer Daten. Algorithmen benötigen konkrete Beispiele vorliegender Diagnosen, um eine Lerngrundlage zu haben. Dies setzt voraus, dass diese Beispiele in sauber digitalisierter Form vorliegen. Anders als Mediziner selbst können KI-Systeme nicht in Fachartikeln oder Textbüchern lesen.
Anwendungsbereiche für AI-basierte Diagnoseverfahren
Aus diesem Grund haben intelligente Systeme insbesondere dort großes Anwendungspotenzial, wo bereits viele Diagnose-Informationen in digitaler Form vorliegen.
Als eine Art Pionier in der Anwendung KI-basierter Diagnose gilt die Radiologie.
Da es hier sehr auf die korrekte Auswertung von Bildern ankommt, ist die Fähigkeit der KI zur Musteranalyse gefragt.
Ein weiteres Anwendungsbeispiel wäre die Auswertung von CT-Scans. So lassen sich etwa Schlaganfälle oder Lungenkrebs automatisiert anhand der Scans erkennen. Ebenso können Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen anhand von Elektro-Kardiogrammen identifiziert werden. Ein anderes Beispiel wäre die Einordnung von Läsionen in Hautbildern.
Prinzipiell sind alle medizinischen Fachbereiche, in denen mit wiederkehrenden Mustern gearbeitet wird, ein Anwendungsbereich für KI. Dies reicht von speziellen Blutparameter-Kombinationen bis zu typischen Verhaltensmustern bei Patienten mit Depressionen. Psychische Erkrankungen bieten allgemein ein wichtiges Zukunftsfeld für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Grundsätzlich sind KI-Systeme imstande, die natürliche Sprache des Menschen genau auszuwerten. Dazu gehören nicht nur die Wortwahl, sondern auch Intonation und Sprechweise. Anhand dieser Merkmale können Muster identifiziert werden, aus denen sich Rückschlüsse auf psychische Krankheiten gewinnen lassen.
Die medizinische Diagnose kann im Hinblick auf die KI außerdem von Chat-Bots profitieren. Ärzte und Patienten können mit intelligenten Systemen kommunizieren. Symptome oder medizinische Untersuchungsergebnisse und Werte können von der KI ausgewertet werden. Daraus lassen sich beispielsweise spezifische Wahrscheinlichkeiten bestimmter Ursachen und Erkrankungen ableiten.
Machine-Learning in der Medizin ist noch am Anfang
Grundsätzlich steht das Potenzial des Machine-Learnings in der medizinischen Diagnostik noch am Anfang. Systeme werden anspruchsvoller und präziser. Bereits jetzt können einige intelligente Systeme auch die Daten mehrerer Quellen miteinander kombinieren und daraus Rückschlüsse auf Krankheiten und Verläufe bieten. Zu diesen verschiedenen Datenquellen gehören nicht nur MRT, CT, Genomik und Proteomik, sondern auch Patientendaten und sogar handschriftliche Aufzeichnungen.
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Studienlage zu AI-basierten Diagnostik
KI-Diagnoseverfahren sind ein intensiv in der wissenschaftlichen Medizin erforschtes Themenfeld. Gegenwärtige Forschungsprojekte befassen sich beispielsweise mit Fragen der Genauigkeit der Diagnose-Vorhersagen durch KI-Systeme. Einige Studienergebnisse liefern Anhaltspunkte für eine Genauigkeit in den Vorhersagen, die denen erfahrener Ärzte entspricht. In einigen Studien erwiesen sich KI-Systeme sogar als präziser in ihrer Trefferquote als menschliche Mediziner.
Eine internationale Studie vom Herbst 2018 ließ Dermatologen gegen ein KI-System in der Hautkrebs-Diagnose antreten. Die 58 teilnehmenden Hautmediziner erzielten bei der Diagnose eine Trefferquote von 86,6 Prozent (Durchschnittswert). Die KI kam auf eine Trefferquote von 95 Prozent. Zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen der KI-Diagnose jedoch eine bedeutend geringere Richtig-Negativ-Rate erzielt wurde.
Eine ebenfalls aus dem Herbst 2018 stammende Studie befasste sich mit der Erkennung von Alzheimer im Frühstadium. Die Pilotstudie ließ ein KI-Systems Gehirnscans auswerten. Mit einer Sensitivität von 100 Prozent gelang der KI die Erkennung von Alzheimer. Da es sich um Frühstadien handelte, konnten die Anzeichen der Alzheimer-Erkrankung durchschnittlich sechs Jahre vor der tatsächlichen Stellung der Diagnose erkannt werden.
Neben der Diagnostik gehören unter anderem die Arzneimittelentwicklung, die personalisierte Behandlung und sogar die Genom-Editierung zu den Einsatzbereichen intelligenter Systeme.
Arzneistoffentwicklung
Die Entwicklung von Arzneimitteln ist von mehreren Stufen und analytischen Vorgängen geprägt. Typischerweise ist die Entwicklung ein kostspieliges Unterfangen. In den verschiedenen Schritten trägt KI bereits heute dazu bei, die Prozesse effizienter auszugestalten. Künstliche Intelligenz birgt das Potenzial, enorme Investitionskosten in der Arzneimittelentwicklung und -herstellung einzusparen.
Die wesentlichen vier Stufen in der Entwicklung sind die Erkennung der Ziele, die Identifikation geeigneter Medikamenten-Kandidaten, die klinische Studienphase und die Identifikation von Biomarkern.
Bereits in der Erkennung der Interventionsziele kann die KI einen enormen Beitrag zur Effizienz leisten. In dieser ersten Stufe der Arzneimittelentwicklung geht es darum, die biologischen Ursprünge der Erkrankungen und deren Resistenzmechanismen zu erkennen. Im Anschluss werden Ziele (Targets) zur Behandlung der Erkrankung gesucht (meistens Proteine). Was das Auffinden brauchbarer Ziele betrifft, gibt es eine große verfügbare Datenmenge. Diese ist der Verfügbarkeit von Verfahren wie Deep Sequencing oder shRNA (short Hairpin RNA) zu verdanken.
Herkömmliche Techniken sind mit der Herausforderung verbunden, die hohe Anzahl an Daten und Datenquellen zunächst einmal integrieren zu müssen. Dies ist die Voraussetzung, um ausschlaggebende Muster erkennen zu können. An dieser Stelle kommen die Algorithmen des Machine Learnings ins Spiel. Diese sind imstande, verfügbare Datenmengen erheblich schneller zu analysieren. Auf diese Weise lernen sie, Target-Proteine automatisiert zu erkennen.
Im späteren Prozess der klinischen Studien kann die KI dabei helfen, geeignete Testpersonen zu identifizieren. Dies ist eine große Herausforderung, da die Auswahl falscher Testpersonen viel Zeit und Ressourcen kostet. Machine Learning verspricht eine Beschleunigung des Prozesses durch automatische Identifikation geeigneter Testpersonen. Damit trägt sie zur korrekten Verteilung auf Teilnehmer-Gruppen bei. Algorithmen lernen schnell, Muster zu erkennen, mit denen sich geeignete von ungeeigneten Testpersonen unterscheiden lassen.
Individualisierung der Behandlung
Behandlungen und Behandlungspläne müssen in der Medizin personalisiert werden. Dies hängt damit zusammen, dass unterschiedliche Patienten auf die gleichen Arzneimittel oder Behandlungspläne verschiedenartig reagieren. Mit personalisierten Behandlungen lässt sich der Genesungsprozess beschleunigen und schließlich die Lebenserwartung der Patienten erhöhen. Die Schwierigkeit besteht in der Identifikation der Faktoren, die eine individuelle Behandlung verbessern.
KI kann mittels Machine Learning dabei helfen, diese komplexe Arbeit zu automatisieren. Intelligente Systeme lernen und finden heraus, welche Indikatoren darauf hindeuten, dass ein bestimmter Patient auf eine konkrete Behandlung anspricht oder nicht.
Dies funktioniert, indem das KI-System Daten ähnlicher Patienten miteinander vergleicht. Behandlungen und Ergebnisse werden dabei abgeglichen. Ärzte haben die Möglichkeit, aus den daraus abgeleiteten Prognosen einen passenden Behandlungsplan zu erstellen.